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Stillleben

15 NACHDENKLICHE QUITTEN

 

Quitte I

SZ, Freitag, 30. Oktober 2009

Während der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan in Berlin zur Bombardierung zweier Tanklastzüge in Afghanistan, bei der sich die Zahl der Opfer nicht mehr feststellen lässt, erklärt, er habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass deutsche Soldaten in operativer Hinsicht militärisch angemessen gehandelt haben, male ich eine Quitte, Öl auf Leinwand, 50 × 40 cm.

 

Quitte II

SZ, Montag, 2. November 2009

Während US-Außenministerin Hillary Clinton Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mitteilt, dass die USA die Forderung nach einem Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten fallen lassen, male ich eine Quitte.

 

Quitte III

SZ, Samstag, 7. November 2009

Während Israel sich über die Annahme des Goldstone-Berichts in der UN über Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg empört, male ich eine Quitte. Im Gaza-Krieg Anfang 2009 sind 1400 Palästinenser und 13 Israelis gefallen. Angela Merkel hat sich auf die Seite Israels gestellt. Ich nicht.

 

Quitte IV

SZ, Montag, 9. November 2009

Während ich eine Quitte male, werden in Ürümqi neun Uiguren hingerichtet, wegen Beteiligung an den Ausschreitungen in der Provinz Xinjiang zwischen Han-Chinesen und muslimischen Uiguren.

 

Quitte V

PNP, Dienstag, 10. November 2009

Während ich drei neue Leinwände aufspanne und grundiere, um nochmals Quitten zu malen – Quitten riechen so gut wie sie aussehen – wirft sich Fußballnationaltorwart Robert Enke vor einen Zug.

 

Quitte VI

PNP, Mittwoch, 11. November 2009

Während ich drei neue Quittenbilder anlege, wird in Dresden Alex Wiens zu lebenslanger Haft verurteilt, wegen heimtückischen Mordes an der Ägypterin Marva El-Sherbini.

 

Quitte VII

SZ, Samstag, 14. November 2009

Die siebte Quitte ist in Arbeit, während ein US-Gesetz verbietet, selbst eindeutig unschuldige Gefangene von Guantanamo nach sieben langen Jahren auf das amerikanische Festland zu bringen. Die Nation, die sich selbst täglich als das “Land der Freien” besingt, verweigert die humanitäre Geste, den Unschuldigen nun irgendwo zwischen Kalifornien und Florida Zuflucht zu gewähren.

 

Quitte VIII

SZ, Dienstag, 24. November 2009

Während in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, ein Gericht Huang Qi wegen “illegalen Besitzes von Staatsgeheimnissen” zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er nach dem Erdbeben die Proteste der Opferfamilien unterstützte, male ich meine achte Quitte.

 

Quitte IX

SZ, Dienstag, 24. November 2009

Am selben Tag beginne ich mit der neunten Quitte, während chinesische Provinzbeamte Bürger, die sich beschweren wollen, in berüchtigten “Schwarzen Gefängnissen” verschwinden lassen, in denen sie gedemütigt, geschlagen, ausgehungert und vergewaltigt werden. In einem Monat ist Weihnachten.

 

Quitte X

PNP, Donnerstag, 26.November 2009

Während ich die zehnte Quitte male, will US-Präsident Barack Obama nicht auf Landminen verzichten. Die US-Regierung wird dem internationalen Abkommen zur Ächtung dieser Waffen, das bereits von 156 Staaten unterzeichnet wurde, nicht beitreten. Man habe beschlossen, an der bisherigen Landminen-Politik(!) festzuhalten. Die Regierung sei zu dem Schluss gekommen, “weder den nationalen Verteidigungs-Anforderungen noch den Sicherheitsverpflichtungen gegenüber unseren Freunden und Verbündeten genügen zu können, wenn wir diese Konvention unterzeichnen”. Auch Russland und China haben der Konvention nicht zugestimmt.

 

Quitte XI

Mittwoch, 25. November 2009

Wo bleibt die positive Nachricht? Die Quitte selbst ist die positive Nachricht.
Und was hat die Quitte mit Politik zu tun? Nichts, aber auch gar nichts! Das macht sie so sympathisch. Während ich darüber nachdenke, woher ich frische Quitten bekomme, beginnen die ersten schon zu faulen.

 

Quitte XII

Dienstag, 1. Dezember 2009

Nachdem ich noch sechs weitere Quitten gemalt habe, dämmert mir, dass ständig neues Unheil in der Welt passiert, egal, ob ich Quitten male oder nicht male.
Ich bin beunruhigt und erleichtert und beende meine Quittenserie.
Danke Quitten!

 

 

Der Name der Quitte (Cydonia oblonga) leitet sich von der griechischen Stadt Kydonia, heute Chania, auf Kreta ab.

 

 

“Das Quarz sitzt tief im Berges Schacht,
Die Quitte stiehlt man bei der Nacht.”

Wilhelm Busch:
Naturgeschichtliches Alphabet